Manch einer hat sich in den letzten Tagen verwundert die Augen gerieben, wenn er sich die Kursbewegungen bei Wirecard angesehen hat. Kostete das Papier am 30.12.20 noch schmale 31 ct, so musste man knapp eine Woche später schon 1,17 dafür hinblättern – so man das Ding überhaupt haben wollte. Verpasst hat man nichts, das Ding kostet wieder 40 ct. Was aber bewegt den Kurs solcher Aktien und was passiert überhaupt mit Firmen, die eigentlich wirtschaftlich keine Zukunft mehr haben?
Ersteres ist klar: Zocker treiben die Kurse kurzfristig durch Gerüchte in die Höhe und machen, da sie sich schon mit den Aktien billig eingedeckt haben, ihren Reibach. Muss jeder wissen, ob er da mit zockt, allerdings kann das Spiel natürlich auch Spass machen, wenn man nur Spielgeld in die Hand nimmt und nicht zu gierig wird. Sonst kann man sich halt böse die Finger verbrennen.
Ich beschäftige mich eher mal mit der Frage, was mit den ganzen Aktienleichen regulär so passiert? Neben Wirecard gibt es ja durchaus aus andere komplett gegen die Wand gefahrene Aktiengesellschaften: Air Berlin ist so ein Fall aus der jüngeren Geschichte oder die Karstadt Mutter Arcandor. Auch Holzmann, Walther Bau oder Praktiker reihen sich da ein. Warum verschwinden diese Aktien nicht vom Kurszettel? Immerhin kostet das Listing weiterhin Gebühren.
Delisting – kein schnelles Ende der Aktiengesellschaft
Die Aktie von der Börse zu nehmen, also ein Delisting zu betreiben, ist mit Arbeit verbunden. Dazu muss ein Antrag gestellt werden und – ähnlich wie beim IPO – ein Prospekt erstellt werden. Kosten, die ein insolventes Unternehmen nicht tragen will. Man wartet dort eher darauf, dass die Börse die Aktien von sich aus vom Kurszettel streicht. Dieses kalte Delisting wird aber nicht automatisch von allen Börsen übernommen. Wenn eine Aktie in Frankfurt gestrichen wird, kann sie immer noch in Berlin oder anderen Regionalbörsen handelbar sein.
Übrigens: Ein Delisting kommt ohne Vorwarnung. Gab es früher noch ein „faires Kaufangebot“, das die AG ihren Aktionären unterbreiten musste, reicht seit einigen Jahren die Mitteilung der Depotbank: „Ausbuchung wegen Wertlosigkeit“.
Liquidation als Dead End
Das Unternehmen ist pleite, aber der Insolvenzverwalter versucht noch Teile zu verscherbeln. Solange das passiert, bleibt die Aktie an der Börse handelbar – und sowas kann dauern. Die Arcandor Pleite liegt über 10 Jahre zurück, die Aktie können Sie immer noch kaufen, bzw. das was davon noch übrig ist, der Börsenmantel.
Erst wenn das Insolvenzverfahren komplett abgeschlossen ist, wird das Unternehmen auch aus dem Aktienregister gelöscht.
Börsenmantel – Spekulieren auf die Wiederauferstehung
Ein Unternehmen, das an die Börse will, könnte sich viele Kosten für einen eigenen IPO sparen, wenn es einfach den Börsenmantel einer toten AG kauft. Dazu sammelt es einfach möglichst viele Aktien ein, auf jeden Fall so viele, dass es die Stimmmehrheit hat und ändert den Namen. Auf sowas hoffen dann auch einige Spekulanten, denn wer Aktien der toten Ag hält, wird automatisch Aktionär beim neuen Unternehmen mit entsprechenden Möglichkeiten der Kusrsteigerung.
Bei einem Kurs von 4 ct für eine Aktie bekommt man mit schmalem Einsatz einen gewaltigen Hebel in die Hand. Das lockt viele Glücksritter an, die auf eine Übernahme eines Börsenmantels spekulieren. Aber so etwas kann sich wirklich ziehen und über allem schwebt das Damoklesschwert des Delisting. Dann ist nämlich auch das „Spielgeld“ verloren.