Armut in Bulgarien

Bulgarien: Wie geht es weiter mit der Wirtschaft im Armenhaus Europas?

Letzten Sonntag wurden in Bulgarien gewählt. Die vorgezogene Parlamentswahl wurde nötig, da es Anfang des Jahres massive Proteste gegen die Regierung Borissow gegeben hat. Zwar ist der Bulgare nicht gerade als Revoluzzer bekannt, aber im Januar entzündete sich der Volkszorn an hohen Energiepreisen. Tatsächlich scheint das aber nur vordergründig zu sein, die  Gründe  der Unzufriedenheit liegen ganz woanders.

Billiglohnland in Europa

Armut in Bulgarien
Armut in Bulgarien

Mit Bulgarien verbindet man zunächst mal Sonne. Strand und Meer und vor allem billigen Urlaub. So kosten Zigaretten weniger als 2 Euro und ein Bier bekommt man in der Strandbar bereits ab einem Euro. Abseits der Strände aber leben viele Einwohner in bitterer Armut. Der Mindestlohn beträgt knapp 160 € und das durchschnittliche Einkommen liegt gerade einmal bei 300 € pro Monat. Da hilft es auch nicht, dass sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen mit lediglich 10 % Körperschaftssteuer bzw. 10 % Einkommensteuer den niedrigsten Steuersatz in der ganzen EU bezahlen und die Währung Leva fest an den Eurokurs gekoppelt ist. Ein solch unternehmensfreundliches Umfeld sollte doch Investoren anlocken, doch die bleiben weg. Hauptgrund dafür ist der immer noch korrupte Verwaltungsapparat, der Entscheidungen verzögert und die Entscheidung bei öffentlichen Aufträgen verschleiert.  Zudem ist die Infrastruktur gerade im Hinterland nicht  mit europäischen Standards zu vergleichen. So gibt es zwar zwischen Varna am Schwarzen Meer und der Grenze zu Rumänien bei Rouse eine direkte Verbindung, die Autobahn auf der etwa 190 km langen Strecke hört aber nach knapp 80 km auf und daher dauert die Fahrt dann auch mal eben fast 3 Stunden. Und fragen Sie erst gar nicht nach einer schnellen Schienenverbindung. Auf der meist eingleisigen Strecke ist Langsamkeit trumpf.

Mafia lähmt die wirtschaftliche Gesundung

Und so floriert nur die Schattenwirtschaft in Bulgarien. Mafiöse Strukturen stützen sich auf Filz in der Verwaltung und so manch einer sieht somit kaum einen Unterschied zwischen Staat und Mafia. Zwar ist es in Bulgarien politisch ruhig, doch so langsam gärt der Unmut hoch und vor allem junge Leute machen ihm Luft. Als Bulgarien 2007 der EU beitrat, wurde die Korruptionsbekämpfung als oberstes Ziel ausgegeben. Doch passiert ist herzlich wenig. Zwar gibt es eine Internetseite auf der man, wenn man als Tourist in eine zweifelhafte Polizeikontrolle mit der Möglichkeit der Bargeldzahlung geraten ist, den Namen und Dienstgrad der  Beamten eingeben und um Überprüfung bitten kann. Doch für den bulgarischen Einwohner änderte sich wenig bis nichts. Und die EU hat komplett versäumt ihren Vorgaben entsprechenden Nachdruck  zu verleihen.

Wirtschaftsstandort Slum

Slum in Varna
Slum in Varna

Und so fliehen die Bulgaren ins Ausland um dort zu arbeiten und so der wirtschaftlichen Misere zu entgehen. Oder sie bleiben da, leben in bitterer Armut und schlagen sich mit kleinen Gaunereien durch. So befindet sich in Varna, abseits der Touristenhotels am Schwarzen Meer einer der letzten Slums auf europäischem Boden. Hier verbrennen Kinder die Plastikummantelung von Drähten um mit dem Metall ein paar Leva zu machen, während der Vater auf dem Schwarzmarkt versucht leichtgläubigen Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und damit haben sie noch wirklich Glück, denn hinter vorgehaltener Hand munkelt man, dass der Slum fest in Mafia Hand ist. Das Geschäftsmodell: Adoption und Organhandel. Man mag es sich nicht näher ausmalen. Polizei jedenfalls verliert sich nicht in die Gegend und auffällig unauffällige Posten stützen den traurigen Verdacht.

Investitionsmöglichkeit in den bulgarischen Aktienmarkt

Und so verwundert es doch, dass die bulgarische Börse seit ein paar Jahren den Vorwärtsgang eingelegt hat. Zwar ist der Sofix immer noch moderat bewertet, die Tendenz raus aus dem Keller ist aber klar zu erkennen. Mit knapp 400 Punkten ist der Index von seinem Hoch im Jahr 2008 bei 1.692 Punkten dazu noch weit entfernt. Mit einem KGV von etwa 5 weist ist der Index nicht nur einen Bewertungsabschlag gegenüber anderen Indizes in Europa auf, er zeigt auch, dass die Unternehmensgewinne der Konjunkturflaute trotzen. Doch vorsicht: Der bulgarische Markt ist sehr illiquide. So wechseln am Tag gerade einmal Aktien im Wert von 3 Millionen Euro den Besitzer. Solch geringe Umsätze können zu Ausschlägen führen, doch eine Wette auf den SOFIX könnte sich dennoch langfristig lohnen. Ich würde hier aber eher keine Einzeltitel kaufen, sondern in den breiten Markt über Indexzertifikate investieren.

Übrigens: Experten rechnen 2013 für Bulgarien zwar nur mit einem Wachstum von 1,2 Prozent, manch ein anderer europäischer Staat wäre darüber aber sicherlich froh!

Fotos: boersenblog.biz