Erdogan erschüttert den Finanzplatz Türkei

Einer gegen alle. Nachdem er sein Volk gegen sich aufgebracht hat, treibt Erdogan jetzt die türkische Wirtschaft in den Abgrund. Zwar war die Börse in Istanbul von je her nichts für Anleger mit schwachen Nerven und doch wurde in letzter Zeit das Land am Bosporus von allen Anlageberatern als das Boomland schlechthin über den grünen Klee gelobt. Und so flossen Milliarden an Investorengeldern und trieben den türkischen Index ISE National 100 in die Höhe.

 Infrastruktur Projekte boomen

tuerkei
Türkische Flagge

Die Türkei ist auf dem aufstrebenden Ast, vor allem und gerade seit der Machtübernahme  durch Erdogans konservative AKP Partei 2002. Seitdem hat sich das Bruttoinlandsprodukt verdoppelt, das durchschnittliche Jahres Einkommen auf 8.119 € pro Kopf mehr als verdreifacht und so ist die Türkei zur siebtgrößten Volkswirtschaft in Europa gewachsen. Und Erdogan plant noch mehr. Er träumt von einem neuen Mega Flughafen in Istanbul, der den arabischen Drehkreuzen und vor allem den europäischen das Wasser abgraben soll, er will den Bosporus mit einer dritten Brücke queren und ein großes Rad im Atomsektor drehen. Die Arbeitslosigkeit will er so weiter drücken. Schon heute liegt sie unter 10 %.

Eigentlich ist die Türkei also eine Erfolgsgeschichte. Nur warum setzt Erdogan dies so fahrlässig auf Spiel?

Türkische Börse stürzt ab

Es sind nicht nur die Bilder der Gewalt auf dem Taksim Platz und im angrenzenden Gezi-Park im Zentrum von Istanbul, die Anleger langsam verunsichern. Es sind vor allem die markigen Worte des Parteichefs mit denen er mittlerweile auch ausländische Investoren angreift und das obwohl er genau weiß, wie stark sein Land von genau diesen Investoren abhängt. Was aber steckt dahinter, wenn er Investoren als Teil der Hochzins Lobby beschimpft und Ihnen droht, sie zu erwürgen, wenn er ihre  Spekulationen aufdeckt. Dann so Erdogan werden Investoren einen hohen Preis zahlen.

Starker Tobak und der kommt  erwartungsgemäß nicht so gut an. Demnach flossen dann auch  allein in der vergangenen Woche mehr als eine Milliarde US-Kapital ab.

Aus der Sicht von Erdogan aber macht das alles Sinn. Seine konservativ-islamische Partei wettert nun also gegen die im Islam verbotenen Zins- und Spekulationsgeschäfte und spricht damit der tief religiösen Bevölkerungsschicht aus der Seele. Das kommt gut an – nicht im aufgeklärten und weltoffenen Istanbul – sondern im besonder religiös geprägten anatolischen Hinterland: Dort, wo seine Hauptwähler sitzen, denn im nächsten Jahr will Erdogan wieder gewählt werden und dann sogar zum Staatspräsidenten. Das ganze kann in seinem Sinne gut gehen, aber der Preis den die Türkei bezahlen müsste, wäre hoch, sehr hoch: Niemand will in einem autokratischen System Geld anlegen. Die Unsicherheit ist zu erdrückend. Fragen Sie mal in Moskau nach.

Einstieg wenn die Kanonen donnern?

 Der  türkische Aktienmarkt hat schwer an Wert verloren und man fragt sich, ob auf diesem Niveau nicht ein Einstieg lohnt. Ich meine aber, dass die Türkei sehr viel an Ansehen verspielt hat und es durchaus zu befürchten ist, dass sie sich wieder in eine  Autokratie wandelt. Das natürlich wäre fatal und das kann auch Erdogan nicht wirklich wollen, denn dies würde die Türkei um Jahre zurückwerfen. Bis sich aber klare Tendenzen abzeichnen, sollte man den Markt beobachten Denn obwohl  türkische Aktien fundamental  im Vergleich zu europäischen oder amerikanischen Aktien sehr billig sind, besteht die Gefahr, daß die Kurse weiterhin bröckeln. Sollte sich aber Erdogan wieder mäßigen, bietet der türkische Markt großes Potenzial, vor allem, da die Wirtschaft dort weiter stetig am Wachsen ist. Gerade auch auf dann ermäßigtem Niveau.

Foto: Mustafa Kutsal / sxc.hu